Gute Gesellschaft – sagt der Schatten
Manchmal fällt ein Satz wie ein Tropfen Tinte in klares Wasser. Er breitet sich aus, verfärbt alles – und plötzlich siehst du, was vorher unsichtbar war.
„Ich bin ja in guter Gesellschaft“, dachte ich kürzlich, halb scherzhaft, als ich morgens meinen Tee trank und auf einen dieser weichgefilterten Social-Media-Posts stieß – ein glitzerndes Mantra über Zusammenhalt, das gleichzeitig jeden Ausschluss stillschweigend mitverkaufte. Und hörte es gleichzeitig mit Mephistos Stimme. Glatt, ironisch, wissend. Plötzlich war der Satz kein Trost mehr, sondern ein Prüfstein. Kein „Ich gehöre dazu“, sondern ein „Mit wem genau steh ich da eigentlich?“
Goethes Mephistopheles braucht keine Bühne. Er steht einfach da, lehnt sich an die Bücherwand, lächelt spöttisch – und kennt deine Schwächen besser als du selbst. „Du bist in guter Gesellschaft“, sagt er zu Faust, während der sich von Zweifeln und Gier leiten lässt. Es ist ein Angebot, kein Kompliment. Eine Einladung mit Falltür.
Und genau dort beginnt mein Nachdenken als Hexe.
Was ist „gute Gesellschaft“ heute?
Was ist eigentlich diese „gute Gesellschaft“, in der sich viele heute so gerne sehen? Die spirituelle Szene, magische Zirkel, Online-Gemeinschaften – wer dazugehört, fühlt sich bestätigt. Wer draußen steht, fühlt sich verloren.
„So läuft das bei uns.“
„Hier sind alle gleich.“
„Du musst nur deine Energie anpassen.“
Aber was, wenn die Regeln dieser Kreise gar nicht deine sind? Wenn „Zugehörigkeit“ bedeutet, sich klein zu machen, zu verschweigen, weichzuzeichnen?
„Hier urteilen wir nicht.“
„Alle sind willkommen.“
„Licht und Liebe.“
Klingt schön. Bis du beginnst, wirklich zu sehen.
Ich habe gelernt: Nicht jede Einladung kommt von Lichtwesen. Nicht jede Gemeinschaft verdient deine Energie. Und nicht jede „Hexenschwester“ erkennt, was Magie wirklich ist.
Faust wollte Magie ohne Konsequenz. Erkenntnis ohne Erdung.
Und Mephisto? Der hat geliefert.
Mit einem Lächeln, das nichts versprach – und alles nahm.
Mein Kreis, meine Wahl
In meiner Arbeit als Rootworkerin, als Conjure-Praktikerin, ist „gute Gesellschaft“ kein Status.
Es ist ein Kreis, den ich selbst ziehe.
Mit Salz, mit Absicht, mit dem Wissen, dass jede Nähe eine Wirkung hat.
Ich lade nicht jeden ein.
Ich wähle – mit Klarheit. Und manchmal auch mit einem leisen Gefühl von Verlust.
Und vielleicht ist das die eigentliche Kunst:
Nicht dazugehören wollen.
Sondern fragen – wer soll mit mir am Feuer sitzen?
Wer hält still, wenn’s dunkel wird?
Wer bleibt, wenn die Masken fallen?
Die Antwort kommt selten laut. Aber sie kommt.
Und manchmal trägt sie Mephistos Stimme.
Dann weiß ich:
Ich bin nicht in „guter Gesellschaft“.
Ich bin in meiner – zwischen Salzlinien und Schattenlicht.